Theoretisch ist ja der „wohlmeinende Diktator“ die beste aller Organisationsformen. Als allmächtiger Herrscher verfolgt er ohne jegliches Eigeninteresse ausschließlich das Ziel der Nutzenmaximierung für seine Untergebenen. Allerdings funktioniert dieses Konstrukt tatsächlich nur in der Theorie.
Für die Praxis hat sich – und das mag man jetzt kaum glauben – ein ganz anderes Vorgehen als das beste aller möglichen herauskristallisiert: das „Sich-Durchwursteln“. Diese in der Organisationstheorie „muddling through“ genannte Steuerungsmethode verzichtet auf zentrale Planung und Entscheidungsfindung. Stattdessen werden die Ergebnisse durch wechselseitige, untereinander erfolgende Abstimmungsprozesse aller beteiligten Akteure erreicht. Der große Vorteil ist, dass Herausforderungen so schrittweise und sehr viel flexibler gelöst werden können und immer wieder Zeit ist für Fehleranalysen und Neuorientierungen während des gesamten Prozesses.
Mit dieser Information im Hinterkopf bin ich sehr gespannt auf die jetzt startende Periode unserer ersten türkis-grünen Regierung. Die Koalitionsvereinbarung jedenfalls lässt auf eine rosige Zukunft des „muddling through“ in der politischen Realität und auf oberster Regierungsebene hoffen: Einzelne Bereiche wie Klimaschutz, Migration oder innere Sicherheit werden in die Verantwortung eines der Partner gegeben, der sich Mehrheiten für seine Pläne suchen darf und muss. Auch außerhalb der Koalition. Der deutsche Wirtschaftsjournalist Gabor Steingart lobte in seinem „Morning Briefing“ jüngst die Verabredung in den höchsten Tönen: „Die Grünen dürfen grün und die Schwarzen schwarz sein, ohne dass der andere dauernd Schnappatmung bekommt.“ Ich sehe das ganz ähnlich und freue mich schon auf breite Diskussionen über gesellschaftlich relevanten Themenbereiche, im Parlament genauso wie in der Medienlandschaft und am Stammtisch. Im besten Fall führt das nämlich zu einem zielgerichteten Austausch von Ideen und Gedanken, einem besseren gemeinsamen Verständnis und vor allem einer umfassenden Akzeptanz von einmal getroffenen Entscheidungen. Für die Demokratie und das Zusammenleben in Österreich wäre das Gold wert! Denn wohin uns Hinterzimmer-Politik und undiplomatische, beratungsresistente „Trumpeltiere“ führen, wissen wir inzwischen zur Genüge.