Nachhaltigkeit ist ein Wert, mit dem sich jedes Unternehmen gern schmückt. In der Praxis beschränken sich die meisten aber auf "End-of-Pipe-Lösungen" - also nachgeschaltete Umweltschutzmaßnahmen. Ein österreichischer Bauunternehmner fordert seine Branche zum Umdenken auf.
Bauen und Innovation - das ist eigentlich ein Widerspruch, denn in der Regel hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Bauen gilt gemeinhin als das zweitälteste Gewerbe der Welt. Technologisch hat sich bei den Produkten zwar einiges geändert, vom Prinzip her bauen wir aber immer noch wie in der Steinzeit. Eine schlechte Ausgangsbasis, wenn man in diesem Bereich innovativ sein will.
Ich habe mein Unternehmen vor zehn Jahren von meinem Vater übernommen. Damals überlegte ich, wie ich die Firma weiterentwickeln soll, welche Möglichkeiten wir überhaupt haben. Mir war klar, dass ich in meinem Leben etwas erreichen wollte. Und dass ich etwas tun musste, wenn mein Unternehmen in 20 oder 30 Jahren noch bestehen soll. Also habe ich mir Gedanken über die Zukunft des Bauens gemacht.
Diese Zukunft, so viel ist klar, liegt in der Stadt. Schon heute lebt die Hälfte der Menschheit in Städten, in 20 oder 30 Jahren werden es 75 Prozent sein. Der Bevölkerungszuwachs liegt bei 80 Millionen pro Jahr - die Weltbevölkerung wird also jedes Jahr um Deutschland größer. Dieses Wachstum findet allein in den Städten statt, deshalb braucht es auch dort die Innovationen. Was Energieversorgung und Mobilität angeht, wird sich in den kommenden Jahren einiges ändern. Wir werden völlig neue Verkehrskonzepte sehen, das sogenannte Urban Farming wird bei der Lebensmittelherstellung eine immer größere Rolle spielen. Die Frage ist: Woher sollen all die Ressourcen kommen, die solch einen Zuwachs ermöglichen? Nimmt man den heutigen Lebensstil der Europäer als Basis, bräuchten wir zweieinhalb Planeten. Die Amerikaner bräuchten vier Planeten. Das Problem ist: Wir haben nur diesen einen Planeten und die stetige Ressourcenverknappung wird über kurz oder lang zu ernsten Problemen führen - geopolitisch und sozial.
Der Rohstoff der Zukunft
Wenn wir über Ressourcenknappheit sprechen, denken viele vor allem an Wasser, Öl oder seltene Erden. Nur wenige wissen, dass Sand eines der knappsten Güter der Welt ist. Gleichzeitig ist es der Rohstoff, den die Baubranche am nötigsten braucht - zur Herstellung von Beton. Es werden Strände in Australien und Afrika abgetragen und nach Chicago oder Dubai gebracht, um dort Hochhäuser bauen zu können. Und das ist nur ein Beispiel. Wir müssen uns dringend Gedanken darüber machen, welche Rohstoffe wir in Zukunft brauchen und wo sie herkommen sollen. Wir haben gelernt zu fliegen und uns ohne Muskelkraft fortzubewegen, aber wir haben noch nicht gelernt, aus eins zwei zu machen. In Zukunft wird das ein zentrales Thema sein.
In Städten werden wir künftig also in die Höhe bauen müssen, weil der Platz knapp ist. Und wir werden andere Baustoffe nutzen müssen, weil die, die wir bisher verwenden, immer knapper werden und zu energieintensiv sind. Und es gibt noch eine dritte Dimension: Wir werden eine Effizienz entwickeln müssen, die wir in der Industrie längst haben, die beim Bau bislang aber keine Rolle spielt. In gewisser Weise ist bislang jedes Haus ein Unikat - das muss sich ändern.
Über all diese Aspekte hab ich nachgedacht, als ich überlegte, wohin ich mit meinem Unternehmen will. Ich habe mir das Ziel gesetzt, Gebäude zu bauen, die im Vergleich zu herkömmlichen Häusern fünf- bis zehnmal weniger Ressourcen verbrauchen - denn das ist eine Voraussetzung dafür, dass wir das Wachstum in Städten bewältigen können. Das Ergebnis meiner Überlegungen: Ich entwickle Hochhäuser aus Holz.
Holz ist unschlagbar
Die meisten sind skeptisch, wenn sie zum ersten Mal davon hören. Sie denken, Holz sei Vergangenheit. Vor 100 Jahren haben die Menschen mit Holz gebaut - das war billig, oft nicht sehr schön, und hin und wieder sind ganze Stadtviertel abgebrannt.
Wenn ich von Holz spreche, dann nicht von dem Holz, das früher zum Bauen verwendet wurde. Ich spreche von sogenannten Holzleimbindern, die leicht zu bearbeiten sind eine extrem hohe Festigkeit haben und sehr wenig wiegen. Die Gebäude, die wir entwickeln, sind nur halb so schwer wie Betonhäuser. Die Gründung - also der Teil des Hauses, der in der Erde steckt - kann deshalb viel einfacher sein. Im Fall eines Erdbebens ist unser Haus sehr viel sicherer, weil die Energie des Bebens aus der Trägheit der Masse des Gebäudes kommt.
Was die Ressourcenschonung angeht, ist Holz unschlagbar. Zur Herstellung einer Tonne Kupfer brauchen wir 500 Tonnen Natur. Für eine Tonne Stahl benötigen wir acht Tonnen, und für eine Tonne Beton müssen wir fünf Tonnen Natur bewegen. Für einen Kubikmeter Holz brauchen wir nur 0,2 Kubikmeter extra - an Verschnitt und Energieeinsatz.
Auch die Furcht vor Bränden ist unbegründet. Als ich unsere Bauprojekte kürzlich in Berlin vorstellte, musste ich ein Dutzend Mal die Frage nach der Sicherheit im Brandfall beantworten. Irgendwann kam der Chef der Berliner Feuerwehr auf die Bühne, nahm mir das Mikrofon aus der Hand und sagte "Ich möchte allen hier in diesem Raum mitteilen, dass ich im Brandfall lieber in einem Gebäude aus Holz wäre." Warum? Wenn ein Stahlgebäude brennt und der Stahl eine Temperatur von 780 Grad Celsius erreicht, versagt er. Er wird weich, das Gebäude kollabiert ohne Ankündigung. Unsere Holzkonstruktionen können zwar auch brennen, doch sie brennen nur zwei Millimeter pro Minute. Das heißt, auch wenn das Feuer 90 Minuten lang ungehindert wüten kann, passiert noch gar nichts.
Urban Mining als Zukunftsmodell
Wenn mich Leute fragen, wie lange so ein Holzhaus hält, antworte ich mit einer Gegenfrage: Welchen Teil des Hauses meinen Sie? Wir müssen uns von der Vorstellung lösen, dass ein Gebäude EIN Gebäude ist. Unsere Holzhochhäuser sind Systeme, die aus vielen aufeinander abgestimmten Elementen bestehen. Die Primärkonstruktion - also die tragenden Wände, Stützen und der Kern - halten 100 bis 150 Jahre. Die Fassade kann nach 40 Jahren ausgewechselt werden. Die Haustechnikpanele können im Lauf der Zeit upgegradet werden. Das ist der richtige Weg, aber kaum jemand in der Baubranche geht ihn bislang.
Die meisten Häuser werden heutzutage als Einheiten gebaut, alle Teile des Ganzen sind auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden. Und wenn das Gebäude abgerissen werden muss, dann muss alles entsorgt werden. Das ist nicht nachhaltig. Wenn wir verantwortlich handeln wollen, müssen wir Urban Mining ermöglichen. Das heißt: aus den Städten von heute die Rohstoffe von morgen gewinnen. Ein Dritter der weltweiten Rohstoffe ist schon verbaut. Die nächsten Generationen werden diese Rohstoffe zurückholen müssen. Und sie werden zurückblicken auf das Jahr 2014 und denken: "Was für ein Skandal. Sie wussten, dass die Ressourcen knapp werden und haben dennoch nicht so geplant und gebaut, dass wir die Bauteile wiederverwenden können." Wir stecken zurzeit Millionen in die Erforschung unterirdischer Lagerstätten, um unser CO2 loszuwerden. Stellen Sie sich vor, jemand würde stattdessen eine Möglichkeit finden, dieses CO2 sinnvoll zu nutzen - einen Treibstoff zum Beispiel, der sich aus CO2 herstellen und nach Gebrauch weiterverwenden lässt. Die Regierung und die Industrie wären begeistert und würden Millionen investieren. Wir haben heute schon einen Baustoff, der genau diese Vorteile bietet. Wir bauen Passivhäuser aus Holz - 100 Meter hoch, in sechs Monaten. Holz ist das einzige Material, das die Natur unmittelbar selbst herstellt, entnimmt der Atmosphäre CO2 und produziert Sauerstoff. Wir verbauen es in einem Hochhaus, und nach 150 Jahren können wir die Teile abmontieren und für ein anderes Gebäude verwenden oder verheizen. Das ist Nachhaltigkeit. Das Problem ist: Es gibt noch keine Industrie dahinter, die die Entwicklung vorantreiben würde. Und das muss sich dringend ändern.